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Kategorie
Wissen
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Veröffentlicht am
Sep 28, 2025
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Studie im Überblick
Eine Analyse, die Forscher der Columbia University Mailman School of Public Health durchführten und die im International Journal of Mental Health and Addiction veröffentlicht wurde, untersuchte, wie sich die Einführung von staatlich geregelten Gesetzen zum Freizeitgebrauch von Cannabis (recreational cannabis laws, RCL) auf Konsummuster auswirkt. Die Untersuchung basiert auf einem wiederholten Querschnittsdesign für den Zeitraum 2008–2017 und wertet Veränderungen im Cannabisgebrauch in verschiedenen Alters- und Geschlechtsgruppen aus.
Die zentrale Fragestellung: Führte die Legalisierung zu höheren Raten von Cannabiskonsum bei Jugendlichen oder zu mehr problematischem Konsum bei Erwachsenen? Die Studie wird von NORML zusammengefasst und ergänzt durch einen Hinweis auf weiterführende Informationen im NORML-Factsheet „Marijuana Regulation and Teen Use Rates“.
Kernergebnisse
- Es wurde kein Anstieg des Cannabiskonsums bei Jugendlichen (12–20 Jahre) nach der Einführung von RCL festgestellt.
- Bei denjenigen, die Cannabis konsumieren, gab es keine Zunahme von täglichem Konsum im vergangenen Monat (past-month daily use) nach RCL-Einführung.
- Ebenfalls wurde kein Anstieg der vergangenenjährigen cannabisbezogenen Störung nach DSM-5 (past-year DSM-5 CUD — Cannabis Use Disorder) unter Konsumenten beobachtet.
- Die Rate des vergangenjährigen Cannabiskonsums stieg hingegen in der Altersgruppe ab 21 Jahren. Dieser Anstieg fiel bei Frauen stärker aus als bei Männern.
- Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die Einführung von RCL zur Verringerung der geschlechtsspezifischen Lücke im Cannabiskonsum beitragen könnte.
- Abschließend betonen die Forschenden die Notwendigkeit fortlaufender Überwachung, um sicherzustellen, dass die mit Legalisierung angestrebten sozialen Gerechtigkeitsziele erreicht werden, ohne negative Folgen für die öffentliche Gesundheit zu provozieren.
Was bedeutet das für Jugendliche?
Die Analyse bestätigt frühere Ergebnisse, wonach staatliche Legalisierungen des Freizeitgebrauchs nicht automatisch zu einem Anstieg des Cannabiskonsums bei Minderjährigen führen. Für die Zielgruppe (12–20 Jahre) wurden nach RCL-Einführung keine Zuwächse bei den untersuchten Konsummaßen festgestellt.
Das ist relevant für die Diskussionslage in Deutschland: Ein zentrales Argument gegen Legalisierung ist häufig die Sorge um eine verstärkte Nutzung unter Jugendlichen. Laut dieser Untersuchung lässt sich diese Sorge empirisch nicht stützen — zumindest nicht im analysierten Zeitraum und in den untersuchten US-Bundesstaaten.
Geschlechtsspezifische Effekte
Ein auffälliges Ergebnis ist der geschlechtsspezifische Unterschied bei den Veränderungen des vergangenenjährigen Konsums: Erwachsene ab 21 Jahren, insbesondere Frauen, zeigten stärkere Zuwächse in der berichteten past-year-Nutzung.
Die Studie interpretiert dieses Muster als mögliche Verengung des sogenannten Cannabis-Gender-Gaps. Das heißt: Unterschiede zwischen Männern und Frauen beim Cannabiskonsum könnten durch Legalisierungsmaßnahmen reduziert werden. Ob dies positive oder kritische Implikationen hat, hängt von weiteren Faktoren ab — etwa der Entwicklung von problematischem Konsum, gesundheitlichen Auswirkungen oder der Implementierung von Präventions- und Aufklärungsmaßnahmen.
Problematischer Konsum und täglicher Gebrauch
Wesentlich für die öffentliche Gesundheit ist die Frage nach problematischem Konsum. Die Studie fand keine Zunahme bei der past-year DSM-5 Cannabis Use Disorder unter denen, die Cannabis nutzen. Ebenso wurde kein Anstieg beim täglichen Gebrauch im vergangenen Monat dokumentiert.
Das heißt: Obwohl die Nutzung in der Gesamtgruppe der Erwachsenen über 21 Jahre anstieg, nahm die Häufigkeit täglicher Anwendung und das Auftreten einer diagnostizierbaren Störung nach DSM-5 nicht zu — zumindest innerhalb des untersuchten Zeitraums und der Datenbasis.
Einordnung und Bedeutung für Politik und Öffentlichkeit
Die Ergebnisse stützen die These, dass Legalisierung alleine nicht zwangsläufig zu einer Ausweitung von problematischem oder jugendlichem Konsum führt. Gleichwohl zeigen sie, dass die Gesamtverbreitung unter Erwachsenen nach Legalisierung steigen kann — mit deutlich ausgeprägteren Zuwächsen bei Frauen in der Gruppe 21+.
Für politische Entscheidungsträger und Interessengruppen bedeutet das: Gesetzliche Regulierung sollte immer mit begleitender Überwachung kombiniert werden. Die Autoren der Studie fordern ausdrücklich fortlaufende Datenerhebung und -analyse, um sicherzustellen, dass soziale Gerechtigkeitsziele der Reformen erreicht werden, ohne dass öffentliche Gesundheitsrisiken übersehen werden.
NORML verweist außerdem auf ein Fact Sheet (Marijuana Regulation and Teen Use Rates) zur weiteren Kontextualisierung der Forschungsergebnisse.
Einschränkungen und offene Fragen
Die Studie ist ein wiederholter Querschnittsanalyse-Zeitraum (2008–2017). Solche Designs liefern wertvolle Signale über Populationstrends, erlauben aber keine kausale Bestimmung individueller Verhaltensänderungen bei einzelnen Konsumenten über die Zeit. Die Autoren betonen deshalb die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Überwachung — sowohl epidemiologisch als auch hinsichtlich möglicher langfristiger gesundheitlicher Folgen.
Außerdem bleiben Fragen zur Verteilung der Zunahmen innerhalb der erwachsenen Bevölkerung offen: Wer genau erhöhten Konsum meldet (sozioökonomischer Status, regionale Unterschiede, Konsummotive) wird in der Zusammenfassung nicht detailliert dargestellt. NORML bietet zusätzliche Ressourcen für ein tieferes Verständnis dieser Themen.
Fazit
Die Untersuchung aus dem Zeitraum 2008–2017, publiziert im International Journal of Mental Health and Addiction und zusammengefasst von NORML, zeigt: Die Einführung staatlicher Gesetze zum Freizeitgebrauch von Cannabis war nicht mit einem Anstieg des Cannabiskonsums bei Jugendlichen gekoppelt und führte nicht zu mehr täglichem oder problematischem Cannabiskonsum unter Konsumenten allgemein. Gleichzeitig stieg die past-year-Nutzung bei Erwachsenen ab 21 Jahren, mit deutlicheren Zuwächsen bei Frauen — ein Hinweis darauf, dass Legalisierung die geschlechtsspezifische Lücke im Konsum verringern könnte. Fortlaufende Überwachung bleibt erforderlich, um gesundheitliche Effekte und soziale Ziele der Legalisierung im Blick zu behalten.
Quellen: Zusammenfassung auf NORML; Originalstudie „Gender differences in cannabis outcomes after recreational legalization: A United States repeated cross-sectional study, 2008-2017“ im International Journal of Mental Health and Addiction; NORML-Factsheet „Marijuana Regulation and Teen Use Rates“.
Disclaimer: Dieser Beitrag stellt keine rechtliche oder medizinische Beratung dar. Bei juristischen Fragen zur Lage von Cannabis in Deutschland oder bei gesundheitlichen Problemen im Zusammenhang mit Cannabis konsultiere bitte eine fachkundige Stelle.