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Kategorie
Wissen
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Veröffentlicht am
Sep 10, 2025
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Die Zugabe von Hanfsamen während des Brauprozesses kann Bier beziehungsweise Malzwürze ernährungsphysiologisch aufwerten. Eine von europäischen Fördermitteln unterstützte Studie, veröffentlicht in der Fachzeitschrift Molecules, untersuchte Biokomponenten und Braueigenschaften von Bieren, denen bis zu 30 Prozent malz- bzw. unmalzverarbeitete Hanfsamen beigemischt wurden. Verglichen wurden Varianten mit 30 Prozent, 10 Prozent malzverarbeiteten Hanfsamen sowie ein Kontrollansatz mit reinem Gerstenmalz.
Studienaufbau und Fördermittel
Die Untersuchung wurde von Forschenden der University of Agriculture in Krakow, der Slovak University of Agriculture in Nitra, der University of Lomza und der University of Warmia and Mazury in Olsztyn durchgeführt. Sie wurde durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und das polnische Wissenschaftsministerium finanziert. Ziel war es, die chemische Zusammensetzung von Würze/Bier und mögliche funktionelle Effekte durch Hanfsamenzusatz unter standardisierten Maischebedingungen zu prüfen.
Wichtige Ergebnisse
- Sensorik und bioaktive Inhaltsstoffe: Das Endprodukt — Bier oder Gerstenwürze mit Hanfsamen — zeigte laut Studie ein eigenständiges sensorisches Profil und enthielt biologisch aktive Verbindungen, die über die üblichen Eigenschaften von Gerstenbier hinausgehen könnten.
- Polyphenole: Vor allem unmalzverarbeitete Hanfsamen reicherten die Würze signifikant an polyphenolischen Verbindungen, namentlich trans‑Ferulasäure und Gallussäure, die antioxidantive und anti‑entzündliche Eigenschaften aufweisen.
- Vitamine und Hefestoffwechsel: Die Zugabe von Hanfsamen erhöhte den Riboflavin‑(Vitamin B2)‑Gehalt der Würze; dieser Effekt war bei malzverarbeiteten Samen stärker ausgeprägt. Riboflavin kann die Nährstoffqualität des Bieres verbessern und die Hefemetabolik während der Fermentation fördern. Allgemein verbesserte malzverarbeitetes Saatgut die Freisetzung von B‑Vitamine, einschließlich Thiamin.
- Cannabinoide: Im Rahmen der Analysen wurden mehrere Cannabinoide untersucht: CBDV, THCV, CBD, THCAA, CBG, CBN und CBC. Die Autoren betonen, dass rohe Hanfsamen selbst in der Regel nur geringe Cannabinoidkonzentrationen aufweisen; vorhandene Mengen stammen überwiegend von äußerer Kontamination durch harzhaltige Trichome bei Ernte und Verarbeitung, nicht durch biosynthetische Produktion innerhalb der Samen.
- Brautechnische Leistung: Unter den getesteten Standard‑Maischebedingungen beeinträchtigte der Hanfsamenanteil die wesentlichen brautechnischen Kennzahlen nicht. Dennoch sehen die Forschenden weiteren Forschungsbedarf bei Fermentation, sensorischer Bewertung, Stabilität des Produkts und Bioverfügbarkeit der Inhaltsstoffe.
Nährstoffprofil von Hanfsamen
Die Studie hebt das charakteristische Nährstoffspektrum von Cannabis sativa‑Samen hervor: ein vollständiges Set essentieller Aminosäuren, hoher Anteil an ungesättigten Fettsäuren sowie ein reiches Profil an Polyphenolen und Cannabinoiden. Diese Stoffe werden in der Literatur mit anti‑inflammatorischen, immunmodulierenden und neuroprotektiven Effekten in Verbindung gebracht — nach Angaben der Autor*innen basieren solche Aussagen auf In‑vitro‑ und In‑vivo‑Untersuchungen.
Technologische Hürden und Rohstoffeigenschaften
- Zuckerprofil: Hanf ist reich an Cellulose; Extrakte enthalten vornehmlich Glukose und Xylose. Xylose ist ein Hemicellulose‑Zucker, der von konventionellen Brauhefen nicht verwertet wird. Das stellt eine Herausforderung für die effiziente Vergärung dar.
- Verarbeitung und Kosten: Die Auswahl geeigneter Verarbeitungsmethoden und die Optimierung der Produktionskosten werden als aktuelle technologische Herausforderungen benannt. Die Implementierung von Hanf als Rohstoff in der Fermentationstechnologie ist bisher noch wenig erforscht.
- Marktkontext: Die Studie verweist auf ein starkes Marktwachstum für Hanfprodukte und nennt eine erwartete jährliche Wachstumsrate (CAGR) von 17,1 Prozent für den Zeitraum 2023–2030, was das Interesse an neuen Anwendungen in Lebensmittel‑ und Pharmaindustrien erklärt.
Kontext und verwandte Forschung
Die Veröffentlichung wird in einen breiteren Kontext gestellt: Gleichzeitig zeigen andere Untersuchungen zunehmendes Interesse an cannabisbasierten Getränken als Alkoholersatz bei jüngeren Bevölkerungsgruppen sowie Studien, die Hanfsamen und Hanföl als Grundlage für glutenfreie Mehlmischungen mit gutem Backverhalten und erheblichem Nährwert beschreiben. Diese Ergebnisse deuten auf ein wachsendes Interesse sowohl an der ernährungswissenschaftlichen Nutzung von Hanf als auch an neuen Produktkategorien hin.
Einordnung für Brauer und Konsumenten
Für Brauer bedeutet die Studie konkret, dass Hanfsamen als Zusatzstoff die Würze ernährungsphysiologisch anreichern und das sensorische Profil verändern können, ohne die Grundfunktionen des Brauprozesses zu unterlaufen — vorausgesetzt, Verarbeitung und Rezeptur werden angepasst. Die Unterschiede zwischen malz‑ und unmalzverarbeiteten Samen sind relevant: Unmalz sammelte mehr Polyphenole an, malzverarbeitetes Saatgut lieferte höhere Konzentrationen an B‑Vitaminen, insbesondere Riboflavin. Für Konsumenten heißt das: Hanf‑angereicherte Biere könnten mehr bioaktive Verbindungen und bestimmte Vitamine enthalten, wobei psychoaktive Effekte aufgrund der geringen Cannabinoidkonzentration in Samen selbst nicht zu erwarten sind — vorhandene Cannabinoide stammen meist aus Kontamination.
Forschungslücken und Ausblick
Die Autor*innen betonen Bedarf an weiterführenden Untersuchungen zu Fermentationsergebnissen, sensorischer Akzeptanz, Langzeitstabilität und der Bioverfügbarkeit der angereicherten Inhaltsstoffe im Endprodukt. Technologische Fragen zur Vorbehandlung der Samen, zur Kostenoptimierung und zur effizienten Nutzung von Hemicellulose‑Zuckern sind offen.
Fazit
Die Studie zeigt, dass Hanfsamen — je nach Verarbeitung — Würze und Bier funktionell anreichern können: mehr Polyphenole, höhere Riboflavin‑Gehalte und ein verändertes Geschmacksprofil bei gleichbleibender Brautechnik. Praktische Umsetzung erfordert jedoch Anpassungen in Verarbeitung und Fermentation sowie weitere Untersuchungen zur Stabilität und Verfügbarkeit der bioaktiven Komponenten.
Disclaimer: Dieser Text stellt keine medizinische oder rechtliche Beratung dar. Er fasst Forschungsergebnisse zusammen und ersetzt nicht die Beratung durch Fachpersonen.