left grid bg image left grid bg image

Cannabis und Schlaf: Wie medizinisches Cannabis bei Insomnie helfen kann

Cannabis und Schlaf: Wie medizinisches Cannabis bei Insomnie helfen kann
  • Kategorie

    Wissen

  • Veröffentlicht am

    Oct 08, 2025

Teilen auf

Kurzfassung

Eine in PLOS Mental Health veröffentlichte Fallserie berichtet, dass 124 Patientinnen und Patienten mit klinisch diagnostizierter Insomnie über bis zu 18 Monate mit Cannabis-basierten medizinischen Produkten besser schliefen. Neben einer anhaltenden Verbesserung der subjektiven Schlafqualität gaben die Teilnehmer auch geringere Angst-/Depressionswerte und weniger Schmerzen an. Etwa 9 % meldeten Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Schlaflosigkeit oder trockenen Mund; keine der Nebenwirkungen war lebensbedrohlich. Die Autorinnen und Autoren und externe Expertinnen betonen jedoch die begrenzte Aussagekraft wegen des fehlenden Vergleichs mit Placebo oder anderen Behandlungen und rufen nach randomisierten kontrollierten Studien mit objektiveren Messgrößen.

Hintergrund

Schlafstörungen sind weit verbreitet: Etwa ein Drittel der Bevölkerung hat gelegentlich Schlafprobleme, rund 10 % erfüllen die Kriterien für eine Insomnie-Störung. Zugelassene Medikamente bergen Abhängigkeitsrisiken, und nicht alle Betroffenen erreichen mit konventionellen Therapien eine ausreichende Besserung. Vor diesem Hintergrund untersuchte das Team um Arushika Aggarwal (Imperial College London) Patienten, die mit Cannabis-basierten Produkten behandelt wurden, um realweltliche Hinweise auf Wirksamkeit und Verträglichkeit zu sammeln.

Studiendesign und Population

  • Typ: Beobachtungsstudie / Fallserie mit realweltlichen Daten.
  • Quelle der Daten: Patienten aus einer klinischen Datenbank, teils mit Verbindung zu einer privaten medizinischen Cannabis-Klinik (Curaleaf Clinic).
  • Anzahl: 124 Patientinnen und Patienten mit Insomnie.
  • Beobachtungszeitraum: bis zu 18 Monate nach Beginn der Behandlung.
  • Verabreichungsformen: verschiedene Cannabis-basierte Produkte, etwa Öle und getrocknete Blüten.
  • Messgrößen: subjektive Angaben zu Schlafqualität, Angst/Depression und Schmerz; berichtete Nebenwirkungen.

Die Autoren geben an, dass kein spezifisches Fördermittel für die Arbeit erhalten wurde. Interessenkonflikte (Verbindungen zur privaten Klinik) wurden in der Publikation deklariert.

Ergebnisse

  • Schlafqualität: Die Teilnehmenden berichteten über eine Verbesserung der subjektiven Schlafqualität, die über den Beobachtungszeitraum von bis zu 18 Monaten anhielt.
  • Angst/Depression: Signifikante Verringerungen in den Angaben zu Angst- und Depressionssymptomen wurden dokumentiert.
  • Schmerz: Ebenfalls berichteten die Patienten über eine Abnahme von Schmerzen.
  • Nebenwirkungen: Rund 9 % der Patienten meldeten Nebenwirkungen wie Müdigkeit, vermehrte Schlaflosigkeit oder trockenen Mund. Keine der berichteten Nebenwirkungen war lebensbedrohlich.
  • Dosisentwicklung: Externe Expertinnen wiesen darauf hin, dass in der Kohorte die verordnete tägliche Dosis von THC und CBD über die 18 Monate deutlich anstieg (bei THC bis zu etwa 120 mg/Tag; THC-Dosen deutlich höher als CBD; nacherwähnt: THC-Anstieg um das Sechsfache, CBD um das Zehnfache nach 18 Monaten – laut Expertenkommentar).

Interpretation der Autoren

Die Studienautorinnen und -autoren werten die Befunde als Hinweis darauf, dass Cannabis-basierte medizinische Produkte mit besseren subjektiven Schlafresultaten bei Insomnie-Patienten verbunden sein können. Sie betonen jedoch ausdrücklich, dass es sich um Beobachtungsdaten ohne Kontrollgruppe handelt und dass Teilnehmerinnen und Teilnehmer wussten, dass sie Cannabis erhielten – Faktoren, die zu Verzerrungen (etwa Placeboeffekten) führen können. Als Folge empfehlen die Forscher kontrollierte randomisierte Studien mit objektiveren Messgrößen, um Wirkung und Sicherheit zu bestätigen.

Co-Autor Dr. Simon Erridge (Curaleaf Clinic) fasst zusammen, dass die Behandlung über 18 Monate mit anhaltenden Verbesserungen der Schlafqualität und der Angstsymptome assoziiert war. Er weist zudem auf mögliche Anzeichen von Toleranzentwicklung hin und unterstreicht die Notwendigkeit individueller Behandlungsüberwachung.

Externe Expertinnenstimmen (Kernpunkte)

  • Dr. Jack Wilson (University of Sydney): Die Ergebnisse sind ermutigend, liefern aber keine ausreichende Evidenz. Höherwertige randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) haben in der Vergangenheit eine Verlängerung der Schlafzeit gezeigt, jedoch nicht eindeutig eine Verbesserung der allgemeinen Insomnie-Symptomatik oder der Schlafqualität. RCTs berichteten außerdem über höhere Raten von Nebenwirkungen im Vergleich zu Placebo.

  • Prof. Anthony Hannan (Florey Institute): Betont die Anfälligkeit solcher Studien für Placeboeffekte, die Bandbreite an Produkten und Dosen sowie die Notwendigkeit rigoroser, placebokontrollierter und verblindeter Studien. Er erinnert an bekannte Risiken von Cannabis im breiteren Kontext (z. B. Assoziation mit Psychosen bei Freizeitgebrauch) und empfiehlt fachärztliche Beratung für Betroffene.

  • Prof. Mark Connor (Macquarie University): Hebt die Stärke hervor, dass Patienten klinisch mit Insomnie diagnostiziert wurden und 18 Monate verfolgt wurden; kritisiert jedoch die Selektion der "Responder", da nur diejenigen in die Auswertung gelangten, die nach 18 Monaten noch in Behandlung waren. Er macht auf die deutliche Dosissteigerung von THC und CBD aufmerksam und sieht darin ein Zeichen für Anpassung/Toleranz mit möglichen Problemen beim Absetzen.

Stärken und Grenzen der Studie

Stärken:

  • Reale klinische Daten über einen längeren Beobachtungszeitraum (bis 18 Monate).
  • Patienten waren klinisch mit Insomnie diagnostiziert.

Grenzen:

  • Kein Kontroll- oder Placebo-Arm; keine Randomisierung.
  • Subjektive Selbstauskünfte als Hauptmessgröße, anfällig für Erwartungseffekte.
  • Auswahlverzerrung: Nur Personen, die die Behandlung über 18 Monate fortführten, wurden analysiert; Abbrüche vor 18 Monaten sind nicht erfasst.
  • Heterogene Produkte und Dosen; teilweise Verbindung der Autorenschaft zu einer privaten Cannabis-Klinik (Konflikte deklariert).
  • Fehlende objektive Schlafmessungen (z. B. Polysomnographie) und fehlender Vergleich zu Standardtherapien.

Was folgt daraus?

Die Studie liefert realweltliche Hinweise, dass einige Insomnie-Patienten subjektiv von Cannabis-basierten medizinischen Produkten profitieren können — insbesondere im Hinblick auf Schlafqualität, Angst und Schmerz. Die Aussagekraft ist jedoch durch das Studiendesign begrenzt. Es fehlt robuste Evidenz aus randomisierten, placebokontrollierten Studien mit objektiven Messgrößen und klarer Erfassung aller begonnenen Behandlungsfälle (inklusive Abbrechern), um Wirkung, Sicherheit und mögliche Toleranzentwicklung zuverlässig zu beurteilen.

Fazit

Cannabis-basierte medizinische Produkte stehen in realen klinischen Settings in Verbindung mit anhaltenden Verbesserungen der subjektiven Schlafqualität bei einer selektierten Gruppe von Insomnie-Patienten. Die Beobachtungsdaten sind vielversprechend, aber nicht beweisend. Zur Klärung von Wirksamkeit, Sicherheit und Langzeitwirkungen sind randomisierte kontrollierte Studien mit objektiven Outcome-Messungen erforderlich.

Disclaimer: Dieser Text stellt keine medizinische oder rechtliche Beratung dar. Bei gesundheitlichen Fragen oder zur Abklärung einer geeigneten Behandlung sollte eine qualifizierte medizinische Fachperson konsultiert werden.

Falls wir dein Interesse geweckt haben, dann schau dir auch unsere anderen Beiträge an.

Weitere interessante Beiträge

Verwalte deinen Club unkompliziert, kostenlos und sicher!

Registriere dich und deinen Anbauverein noch heute und probiere direkt alle Funktionen der Hanf-App aus.

cta-image