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Kategorie
Gesetz
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Veröffentlicht am
Sep 01, 2025
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Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Entscheidungen zur Anwendung des seit April 2024 geltenden Cannabisgesetzes direkte Folgen für laufende Drogenverfahren. Am Erfurter Landgericht müssen mehrere Prozesse gegen mutmaßliche Händler neu geprüft werden, weil das Gesetz den Strafrahmen für den Handel mit Cannabis verändert. Für einige Verurteilte kann das zu milderen Strafen führen — trotz der damals sehr hohen Mengen, die in den Verfahren eine Rolle spielten.
Worum geht es beim Cannabisgesetz?
Das Cannabisgesetz trat im April 2024 in Kraft und verfolgt mehrere Ziele: den Schwarzmarkt zu reduzieren, einen sichereren Zugang für Konsumentinnen und Konsumenten zu schaffen sowie Kinder und Jugendliche besser zu schützen. Wesentliche Regelungen sind:
- Erwachsene dürfen in begrenzten Mengen privat Cannabis anbauen — konkret bis zu etwa drei Pflanzen pro Person.
- Seit dem 1. Juli 2024 dürfen auch nicht-gewerbliche Vereinigungen (Cannabis‑Clubs) unter klaren gesetzlichen Vorgaben gemeinschaftlich anbauen und die Erzeugnisse kontrolliert an ihre erwachsenen Mitglieder zum Eigenkonsum weitergeben.
- Cannabissamen dürfen aus EU‑Mitgliedstaaten zum Zwecke des privaten Eigenanbaus eingeführt werden; Erwerb über das Internet und Versand nach Deutschland sind zulässig.
- Die Einfuhr von gebrauchsfertigem Cannabis aus dem Ausland nach Deutschland bleibt verboten.
- Besitzgrenzen sind definiert: bis zu 25 Gramm getrocknetes Cannabis im öffentlichen Raum sind straffrei; im privaten Raum liegt die Grenze bei 50 Gramm.
- Es besteht ein allgemeines Werbe- und Sponsoringverbot für Konsumcannabis und für Anbauvereinigungen.
- Minderjährigen bleibt der Besitz verboten; für junge Erwachsene gelten Sonderregelungen mit geringeren Abgabemengen und reduzierten THC‑Gehalten.
- Öffentlicher Konsum ist eingeschränkt — Beispiel: ein Konsumverbot in Fußgängerzonen zwischen 7 und 20 Uhr.
- Aufklärung und Prävention sollen gestärkt werden.
Diese Regelungen bilden den rechtlichen Rahmen, innerhalb dessen Privatpersonen und Clubs Cannabis nun anbauen und nutzen können. Ziel ist es, Kontrollen zu ermöglichen und damit die Versorgung aus dem Schwarzmarkt zu verdrängen.
Gerichtliche Auswirkungen: BGH‑Entscheidungen und Erfurt
Mehrere Verurteilungen gegen Drogenhändler wurden in der Folge der neuen Rechtslage auf Revision angefochten. Verteidiger legten beim BGH Revision ein; das Gericht hob anschließend bestimmte Strafaussprüche auf. Entscheidendes Prinzip des BGH: Das Cannabisgesetz ist auf alle noch nicht rechtskräftigen Urteile anzuwenden.
Ein prominentes Beispiel aus Erfurt: Im Dezember 2023 hatten drei Männer hohe Haftstrafen erhalten. Ihnen wurde unter anderem Handel mit rund 600 Kilogramm Marihuana (und einigen Kilogramm Methamphetamin) vorgeworfen; die Haupttäter erhielten Haftstrafen von 12,5 bzw. 12 Jahren. Nach der BGH‑Entscheidung wurden die Strafen für diese Angeklagten jeweils um ein Jahr reduziert. Als Gründe nennt der BGH nicht nur die veränderte Strafzumessung durch das neue Gesetz, sondern auch die lange Zeitspanne zwischen der Tat (2020) und der Verurteilung.
In einem weiteren Fall wurde eine Strafe von fünf Jahren und vier Monaten auf vier Jahre und neun Monate reduziert. Die betreffenden Angeklagten haben weiterhin die Möglichkeit, erneut Revision einzulegen.
Wichtig: Die BGH‑Entscheidungen betreffen nicht nur Einzelfälle in Thüringen. Da das Gericht klargestellt hat, dass das neue Gesetz auf alle noch nicht rechtskräftigen Urteile anzuwenden ist, sind bundesweit mehrere Verfahren gegen mutmaßliche Dealer erneut zu prüfen. Das bedeutet für viele Betroffene: Neuverhandlung, mögliche Strafmilderung oder veränderte Strafzumessung.
Verhältnis Gesetz, Rückwirkung und andere Rechtsbereiche
Der BGH hat also Wirkung für laufende Strafverfahren bejaht. Gleichwohl bestehen rechtliche Nuancen: In anderen Rechtsbereichen ist die Anwendung des Gesetzes nicht automatisch rückwirkend. So berichtet die Quelle, dass das Cannabisgesetz bei einem Führerscheinverlust nicht rückwirkend gilt — ein Mann focht etwa eine angeordnete MPU an, weil sein Vorfall vor der Festlegung des THC‑Grenzwerts im Straßenverkehr lag. Das zeigt, dass die praktische Auswirkung des Gesetzes je nach Rechtsbereich unterschiedlich bewertet werden kann.
Bedeutung für Konsumentinnen und Konsumenten
Für erwachsene Konsumentinnen und Konsumenten bedeuten die gesetzlichen Änderungen klare neue Regeln: Besitz- und Anbaumengen sind definiert, Clubs bieten eine legale Versorgung innerhalb begrenzter Strukturen, und der Handel bleibt grundsätzlich reguliert bzw. weiterhin strafbewehrt, aber mit einem anderen Strafrahmen als zuvor. Die Gesetzesänderung zielt darauf, den unsicheren Schwarzmarkt zu schwächen und gleichzeitig Kontroll‑, Präventions‑ und Aufklärungsmaßnahmen zu stärken.
Für Verurteilte und Verfahren, die noch nicht rechtskräftig sind, hat das Gesetz unmittelbare Auswirkungen auf die Strafzumessung. Der BGH hat bestätigt, dass sein Geltungsbereich über bereits begangene Taten hinausreichen kann, sofern die Urteile noch nicht rechtskräftig sind — selbst für Taten aus 2020.
Fazit
Das Cannabisgesetz hat nicht nur den Alltagsbereich von Konsum und Anbau neu geordnet, sondern verändert auch die rechtliche Bewertung von Straftaten, die mit Cannabis in Zusammenhang stehen. Der BGH zwingt Gerichte, nicht rechtskräftige Urteile unter Berücksichtigung der neuen gesetzlichen Regelungen zu überprüfen. Für Gerichtsverfahren hat das bereits zu Strafminderungen geführt; für die Praxis bedeutet das eine breitere Anwendung des neuen Rahmens im Strafrecht, während andere Rechtsfragen (etwa Führerscheinverfahren) weiterhin getrennt zu beurteilen sind.
Hinweis: Dieser Text stellt keine rechtliche oder medizinische Beratung dar. Bei konkreten rechtlichen Fragen oder gesundheitlichen Anliegen sollten Sie qualifizierte Fachpersonen konsultieren.